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Wahrnehmungsmanipulation - Wie Sie den Blickverlauf der Konsumenten steuern
 

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Nur wenn sich ein Mensch einem Reiz zuwendet, ist er auch fähig, diesen aufzunehmen. So lautet eine Grundregel erfolgreicher Kommunikation: Wichtigstes Ziel jeder Marketing-Maßnahme ist es also, Aufmerksamkeit zu erregen. Doch wie zieht man
 

die "Blicke" der Konsumenten erfolgreich auf sich?

"Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach." Besser kann man das Wahrnehmungsverhalten des Menschen wohl nicht umschreiben. Der willentliche und vernünftige Umgang mit optischen Reizen, wird stets "unterwandert" von instinktiven Verhaltensweisen. Klassisches Beispiel ist der Einsatz von erotischen Bildern in der Werbung. Ganz automatisch zieht eine spärlich bekleidete, attraktive Frau die Blicke von Männern an (und umgekehrt). Niemand kann sich dagegen wehren. Dies zeigen zahlreiche Tests und Studien[1]: Stellt man zwei Anzeigen, erotisch und neutral, nebeneinander, dann werden immer...

  • die erotischen Bilder signifikant länger und öfter betrachtet als die neutralen Bilder
  • die erotischen Bilder besser erinnert als neutrale
  • die übrigen Anzeigenelemente (Marke, Produkt, Texte, etc.) ungefähr gleich lange angesehen

Die Ursachen sind leicht zu ergründen: Der Mensch ist halt auch noch heute tief verwurzelt in seiner "tierischen" Vergangenheit. Viele grundsätzliche Verhaltensweisen (nicht nur im Bezug auf die Fortpflanzung) haben Ihren Ursprung in den Erbanlagen und sind von unseren individuellen Erfahrungen unabhängig. Aber nicht nur angeborene Verhaltensweisen beeinflussen das Blickverhalten, auch erlernte und erfahrene Wahrnehmungsmuster laufen im Unterbewussten des Menschen vollkommen automatisch ab.


Schemata steuern die Wahrnehmung

Konsumenten gliedern, ordnen und interpretieren optische Reize intuitiv nach bestimmten Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Ein bewegtes Objekt hebt sich beispielsweise spontan vom Hintergrund ab, einzelne Elemente werden nach Gestaltungsgesetzen zu Gruppen zusammengefasst (Platte + vier Beine = Tisch) und Menschen allein aufgrund ihrer äußeren Merkmale und Verhaltensweisen beurteilt. In einem Kaufhaus sieht ein Konsument deshalb auch kein Tohuwabohu, sondern eine Anordnung von Warenregalen, Produkte die preiswert oder teuer sind, sowie Verkäufer, die gestresst oder freundlich-gelassen wirken.

Die spontanen Einordnungen und Beurteilungen bei der Wahrnehmung werden als Wahrnehmungsschemata bezeichnet. Sie erleichtern dem Menschen das tagtägliche Leben ungemein. Anhand weniger Aspekte kann er komplexe Sachverhalte schnell einordnen und verstehen.

Doch Wahrnehmungsschemata sind nicht unfehlbar. Ganz im Gegenteil: Sie lassen sich einfach täuschen und sind dadurch instrumentalisierbar. Gängige Marketingansätze sind beispielsweise die "optische" Verknappung von Produkten [wie schon im Artikel "Kaufentscheidungen beeinflussen" vorgestellt], die Verwendung gebrochener Preisen (z.B. 9,95 anstatt 10,00) oder die äußere Produktgestaltung. Handelsmarken (wie z.B. Isana vom Drogeriemarkt Rossmann) versuchten in der Vergangenheit häufiger im Aussehen dem optischen Erscheinungsbild bekannter Marken Nahe zu kommen, um damit von Abstrahlungseffekten der Wahrnehmung (beispielsweise in Sachen Qualität) profitieren zu können.


Abbildung 1: Zwei Marken viele Ähnlichkeiten (Quelle der Abbildungen: rossmann.de)


Eye-Catcher: Effektive Wahrnehmungsschemata

Zu den effektivsten Instrumentalisierungsmöglichkeiten der Wahrnehmungsprozesse zählen Schlüsselreize (auch Eye-Catcher genannt). Diese zumeist angeborenen Auslösemechanismen (AAM) spielen eine Sonderrolle. Unabhängig von Lernen und Erfahrung ziehen sie die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich und rufen Gefühle hervor, die wenig kontrolliert werden können und über die sich der Empfänger kaum Rechenschaft ablegt[2].

Die effektivsten natürlichen Stimuli sind auf die Ursprünge des Menschen in der Tierwelt zurückzuführen. Es sind…

  • erotische Bilder (Ganzkörper oder Körperteile wie Taille, Beine oder Busen/Brust)
  • Kinder (Ganzkörper oder Kopf; auch Tierkinder wie Hundewelpen)
  • Gesichtselemente (z.B. Auge oder Mund)
  • Gesichtsmimik (z.B. Freude, Ärger, Ekel, etc.)
  • Zeichen für den Tot (wie z.B. Totenkopfsymbole, Knochen, etc.)


Abbildung 2: Natürliche Schlüsselreize am Beispiel Kindchenschema, Erotik und "Augen" (Quelle: kommdesign.de)[3]

Neben angeborenen Schlüsselreizen existiert noch eine Reihe von erlernten automatischen Auslösestimuli. Dieses sind in der Regel Symbole, die man bereits in der Kindheit lernt und im Laufe seines Lebens ständig weiter einprägt: Eine geschmückte Tanne ist untrennbar mit Weihnachten verbunden, ein Kuchen mit Kerzen lässt auf einen Geburtstag schließen und bei einem Feuerwerk denken wir zu aller erst an Sylvester.

Da erlernte Schlüsselbilder nicht biologisch bedingt sind, können diese von Mensch zu Mensch in ihrer Ausprägung stark unterschiedlich sein. Jemand der Weihnachten hasst, wird von einem Tannenbaum an seine Abneigung erinnert und jemand, der nicht in unserem Kulturkreis groß geworden ist, wird mit einem Furcht einflößenden Kürbisgesicht auch nicht unmittelbar Halloween verbinden.


Abbildung 3: Erlernte Schlüsselreize sind effektiv, wirken jedoch nicht immer aktivierend


Internet Marketing und Schlüsselreize

Was haben Schlüsselreize aber nun mit Internet Marketing zu tun?

Der menschliche Sinnesapparat verfolgt mit seiner automatisierten Wahrnehmung vornehmlich drei Funktionen:

1. die Erleichterung der Orientierung
2. das Auslösen von Gefühlen und
3. das in Gang Setzen von Denkmechanismen

Vor allem der erste Aspekt ist für das Internet Marketing von besonderer Bedeutung. Schlüsselreize sorgen nicht nur dafür, dass Anzeigen wie etwa Banner besser wahrgenommen werden, sondern sie erleichtern vor allem die generelle Orientierung auf einer Website erheblich. Ein paar Beispiele:
 

Blickverlaufverlaufssteuerung und Erinnerung

Die ersten Momente entscheiden. Nicht länger als 8-12 Sekunden verbringt ein Nutzer auf einer neuen Website. Wenig Zeit, um das Anliegen der eigenen Site anschaulich zu vermitteln.

Ziel jedes Homepage-Designs muss es also sein, innerhalb weniger Sekunden, die wichtigsten Informationen zu transportieren. Der Nutzer soll innerlich sagen "Hier bin ich richtig". Nur dann besteht die Chance, dass er länger mit der Website interagiert und Ihnen die Möglichkeit gibt mit Ihren Inhalten zu überzeugen.

Doch wie überprüft man die Effektivität des eigenen Designs?

Fünf Sekunden Aufmerksamkeit entscheiden

Der so genannte 5-Sekunden-Test[4] ist einer der am weitesten verbreiteten und weitgehend akzeptiertesten Tests um die Wirkung einer gesamten Website sowie die Effektivität von einzelnen Navigations- bzw. Orientierungselementen zu testen.

Der Versuchsaufbau ist simpel. Den Probanden wird erlaubt eine Website für wenige Sekunden zu betrachten, ohne dass sie mit der Seite interagieren dürfen (z.B. Links klicken). Nach der Betrachtungszeit wird die Website wieder "verdunkelt" und die Testteilnehmer gefragt, an was sie sich erinnern. Schafft es eine Website bei der Mehrheit der Testteilnehmer nicht in weniger als 5-Sekunden die relevanten Inhalte zu vermitteln, ist sie durchgefallen.

Selbst einmal ausprobieren?

Schauen Sie sich nacheinander für ein paar Sekunden die beiden folgenden Screenshots an.

   
...einfach auf den Zurück-Button klicken, um den nächsten Test auszuwählen

Wenn ich Sie jetzt frage, welche Assoziationen Sie in Erinnerung behalten haben, dann werden das mit Sicherheit bei Screenshot 1 das Weihnachtsangebot und die Business-Welt (zwei Bürogebäude) sein.

Und bei Website Nummer 2? Schwierig, oder? Kein Reiz war wirklich aktivierend. Vielleicht noch die Frau am Reifen als Zeichen für Ästhetik - aber als Symbol für Rundumversorgung bei Finanzdienstleistungen? Doch wohl eher nicht.

Sie sehen, Schlüsselreize können innerhalb von Sekunden, Menschen auf wesentliche Aspekte aufmerksam machen - entweder auf besondere Angebote oder aber auch auf die "Mission" einer gesamten Seite.

Richtig geplant und umgesetzt, lässt sich sogar der Blickverlauf der Nutzer gezielt auf bestimmte Seitenelemente steuern (siehe nachfolgende Abbildung).


Abbildung 4: "Aufmerksamkeitsfänger" Schlüsselreize (Quelle: travelchannel.de)


Einfache Symbole erleichtern die Orientierung

Schlüsselreize eignen sich nicht nur zur Verbesserung der initialen Orientierung, sondern ebenso zur Hervorhebung von zentralen Navigationselementen. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen eine kleine Auswahl von Symbolen, die leicht verständlich sind und schnell verstanden werden wie z.B. bei AOL.de…


Abbildung 5: Leichtverständliche Symbole (Quelle: AOL.de)

Auch die Suche nach einer Telefonnummer kann vereinfacht werden, wie die Website von mailingwork.de zeigt…


Abbildung 6: Ein Telefonhörer erleichtert die Suche nach einer Telefonnummer
(Quelle: mailingwork.de)


AdSense Anzeigen aufwerten

Fast jeder kennt sie mittlerweile, die Textanzeigen, die sich Website-Betreiber über den Online-Dienst Google AdSense auf den eigenen Seiten einblenden lassen können. Die Entlohnung für die zur Verfügung gestellten Werbeflächen erfolgt nach Klicks. Je mehr Nutzer also auf eine Anzeige klicken, umso besser für den Betreiber der Website. Doch Textanzeigen sind von ihrer Natur her sehr schlicht. Nur wenn beispielsweise eine Überschrift oder ein Link besonders aufmerksamkeitsstark ist, fällt eine Anzeige überproportional vielen Nutzern ins Auge. Doch das muss nicht zwingend so sein.

Vor ein paar Monaten berichteten seo-consulting.de und drweb.de davon, dass sich die Klickrate von AdSense Anzeigen signifikant steigern lasse[5]. Und das mit einem simplen Trick: Über kleine Abbildung (am besten Schlüsselreize) vor oder neben den Anzeigen lässt sich die Wahrnehmbarkeit der Werbeflächen erheblich erhöhen. Die Textanzeigen gelangen so wesentlich schneller und häufiger ins Blickfeld der Nutzer.


Beispiel: normale AdSense-Textanzeige


Beispiel: optimierte AdSense-Textanzeige):


Effektiver Einsatz von Schlüsselreizen

Der Einsatz von Schlüsselreizen ist nicht per se wirkungsvoll. Nicht nur, weil erlernte Wahrnehmungsschemata unterschiedlich interpretiert werden, sondern weil der Reiz auch tatsächlich beobachtet werden muss, um Wirkung zu zeigen. Damit letzteres auch geschieht, bedarf es einer Fokussierung auf die zentralen Elemente des Stimulus. Besonders erfolgreich sind Reize, die

  • einfach aufzunehmen (d.h. nur aus nur wenigen Merkmalen bestehen),
  • auffallend und
  • eindeutig sind.

Es kommt nicht von ungefähr, dass künstliche Nachbildungen bzw. grafische "Imitationen" (siehe das AdSense-Beispiel) teilweise sogar stärkere Wirkung entfalten als ihre natürlichen Vorbilder. Karikative und/oder überzeichnete Darstellungen von Formen und Gestaltungsfaktoren (z.B. größere Augen, längere Stirn bei einem Kindergesicht) präsentieren einen Reiz intensiver und quasi störungsfrei.


Abbildung 7: Imitationen können die Wirkung eines Schlüsselreizes noch verstärken[6]


Wahrhaftiger als beispielsweise ein gezeichnetes Gesicht ist natürlich ein Foto. Dieser Tatsache ist sich auch die Werbebranche bewusst. Dennoch integrieren Werber das Wissen um die Klarheit des Reizes wo immer es geht:

  • kaum ein Modell, dessen Konturen nicht noch einmal am Rechner nachretuschiert werden,
  • kaum eine erotische Anzeige, bei der das aufreizende Modell nicht vor einem Kontrast armen Hintergrund steht und
  • kaum ein Spot für Gesichtskosmetika, in dem mehr als der Kopf gezeigt wird.


Kannibalisierungseffekte

Vor allem erotische Bilder haben den Nachteil, dass Sie häufig Erinnerungseffekte unterwandern. Zeigt man Testteilnehmern zwei Anzeigen - einmal mit und einmal ohne aufreizendes Modell - dann erweckt zwar die erstere Anzeige mehr Aufmerksamkeit und kann besser erinnert werden. Wiederzugeben, was jedoch in der Anzeige beworben wurde und von welchem Unternehmen, fällt den Probanden wesentlich schwerer als bei Anzeigen ohne erotischen Schlüsselreiz. Ähnliches geschieht auch bei anderen natürlichen Schlüsselreizen (wenn auch mit geringerer Ausprägung). Für die Orientierungsfunktion auf einer Website mag dies zunächst kein Problem sein. Der Einsatz von Schlüsselreizen sollte jedoch nicht übertrieben werden. Zum einen kann der übermäßige Einsatz von natürlichen Schlüsselreizen (Erotik, Kinder, Tot) die Erinnerungsfähigkeit beeinflussen, zum anderen wirken drei Kindergesichter zur Symbolisierung von drei unterschiedliche Kategorien nicht unbedingt dreimal so stark. Der Erfolg hängt vom Darstellungskontext und der Klarheit des Schlüsselreizes ab. Und letzterer nimmt zwangsläufig bei Reizüberflutung ab.

   
   

Vertiefend hierzu:
Die Zeit drängt - Wie Sie Kaufentscheidungen beeinflussen

Verführerische Links - So fesseln Sie Ihre Nutzer

Handlungsaufforderungen - die emotionale Komponente beim Kauf

Sieg im Online-Aufmerksamkeitskampf - Das Geheimnis erfolgreicher Werbung


Effektive Internet Werbung - Wie Sie die Werbedichte durchbrechen

Stimmungen beeinflussen - Wie Sie auf die Gefühlslage Ihrer Besucher einwirken

Das Klick-Geheimnis - Mit psychologischen Tricks mehr Kunden gewinnen

 

Quellen:
[1] Ulrich Lachmann fasst in seinem Buch "Wahrnehmung und Gestaltung von Werbung" alle relevanten Forschungsergebnisse zur Wahrnehmung übersichtlich zusammen (speziell zu diesem Artikel: S. 57-61) - ganz aktuell, siehe etwa eine Studie von MediaAnalyzer
.
[2] Vertiefend hierzu beispielsweise Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, "Werbung: Steuerung des Konsumentenverhaltens" oder Thomas Jendrosch, "Der programmierte Konsument"

[3] Zum Thema "Aufmerksamkeitserregung" bietet Komdesign
.de einen hervorragenden Einstiegsartikel

[4] Anschauliche Beschreibung des 5-Sekunden-Tests von Jacob Nielsen

[5] "AdSense Klick-Optimierung" von Sebastian Karpp
(Artikel auf seo-consulting.de) - "Mit Google-Anzeigen zum Profit" von Dirk Metzmacher und Sven Lennartz (Artikel auf drweb.de)

[6] Quelle der Abbildung: Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, "Werbung Steuerung des Konsumenverhaltens", 1982, S. 37.

 
   
   

  
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